Ein Spiel von 2 Toren

Ein phantastisches 1-1 hat sehr unterschiedliche Phasen und zeigt in verschiedene Richtungen.

Grundausrichtung (und de-brief)

Union-VfB

Während Trimmel zurückkehrt und Puncec den Vorzug vor Schönheim bekommt, ersetzt der "fußballerisch klar bessere" Daube auf der Sechs Fürstner. Skrzybski beginnt auf der 10, um nach einer halben Stunde ins 433 auf Rechtsaußen gezogen zu werden.

In seiner Vorschau hatte Jonas von VfBtaktisch geschrieben, dass nach früheren Vorschauen auf dem Platz gern etwas ganz anderes passierte. Das war auch in diesem Spiel der Fall: Während bei Union vor allem Jens Kellers Personalentscheidung im defensiven Mittelfeld überraschte, trat Stuttgart mit einer Dreierkette und einer sehr flexiblen Formation auf.

Expected goals Union-VfB

Die Expected Goals Karte des Spiels - vom exzellenten Statistikblog 11tegen11. Beide Mannschaften haben überdurchschnittlich gute Schusspositionen (nah und zentral), mit leichten Vorteilen für den VfB.

Damit stellten sie eine zunächst in der Rauten-Variante agierende Union Mannschaft für die erste (halbe) Stunde des Spiels vor große Probleme in beide Spielrichtungen. Das lag allerdings an einer taktischen Struktur, die das Potential zum Kippen der Partie schon in sich trug.

Stuttgarter Druck

In der Weise, in der es Stuttgart gelang, Union unter Druck zu setzen, lässt sich das Spiel mit Ball nicht vom "Pressing" ohne Ball trennen. Aber beginnen wir mit den Ballbesitzphasen Unions.

Pässe Union-VfB

Über das Spiel hinweg (bzw. bis zur 70. Minute zeigt die Passgraphik - ebenfalls von 11tegen11 - dass Unions Mittelfeld in die Partie kam, und Pedersen extrem hoch spielte.

Wenn Jakob Busk oder die Innenverteidiger versuchten, das Spiel aufzubauen, wurden sie von den Außenstürmern Stuttgarts angelaufen, die sich dabei bemühten, die Passwege zu den Außenverteidigern zu versperren (und so Unions zuletzt gängigen Mechanismus zu unterbrechen). Weil gleichzeitig Simon Terodde entweder vor Dennis Daube stand, oder bereit war, ihn bei und nach der Ballannahme zu stören, war auch der Pass ins zentrale Mittelfeld unmöglich oder riskant. Die Folge waren einige knappe Ballbehauptungen von Unionern, die angesichts suboptimaler Möglichkeiten ins Zögern kamen, und unkontrollierte Befreiungsschläge.

Union-VfB Kreilach

Damir Kreilach gegen Zimmermann - Symbolbild für die Auseinandersetzung im Mittelfeld. Photo von Stefanie Fiebrig

Verschärft wurde dieses Problem durch die Situation der Achter Kreilach und Kroos. Wie gegen Kaiserslautern kamen sie nur sehr schwer ins Spiel, anders als zuletzt jedoch nicht, weil ihnen die räumliche Anbindung an die erste Linie des Aufbauspiels fehlte. Stattdessen wurden sie (immerhin das wurde als mögliches Problem in der Vorschau korrekt angedeutet) von den Achtern des Bundesligaabsteigers meist eng beschattet und hatten so keine Zeit für ruhige Aktionen, mit denen sie die Offensivspieler hätten einsetzen können. Vor allem Skrzybski, der im offensiven Mittelfeld eigentlich zwischen Stuttgarts Mittelfeld und Abwehr über freie Räume verfügte, wurde damit indirekt aus dem Spiel genommen - wodurch die Umstellung auf das 433 und sein Wechsel aus dem Zentrum auf den Flügel folgerichtig wurde.

Unions Reaktion

Kreilach und Kroos konnten dem Druck, unter dem sie im Zentrum standen, nur ausweichen, in dem sie sich stattdessen in die defensiven Halbräume fallen ließen. Dort fehlte dann zwar eine offensichtliche Anbindung an die Offensive, konnten sie aber immerhin kurzzeitig entlastende lange Bälle in die Läufe von Quaner oder Skrzybski spielen. Das geschah vor allem durch Kroos auf halbrechts, während auf der anderen Seite Pedersen diese Räume gelegentlich füllte.

Pässe union-VFB

Die Passgraphik für Stuttgart von 11tegen11 (auch auf Twitter). Die Ballverteilung ist ungewöhnlich hoch, Unions enge Formation erlaubt den Stuttgarter Flügelverteidigung extrem fokussiert in der Ballverteilung zu sein und sehr viele Pässe auf die Stürmer zu spielen.

Die langen Bälle auf Quaner waren potentiell sehr gefährlich. In der Rauten-Phase konnte Skrzybski mit Anlauf in Ablagen Quaners starten; mit drei Stürmern hatte man ebenso viele Optionen, um die schnellen Stürmer in eins-gegen-eins Läufe in die Tiefe zu schicken - die zentrale Stärke von Unions Offensive derzeit.

Daube stand für Fürstner in der Startelf, weil wir in den letzten Spielen im fußballerischen Bereich Probleme hatten, uns wenig Möglichkeiten erspielt haben, im Spielaufbau Probleme hatten. Und mit Dennis Daube da einen Spieler haben, der fußballerisch klar bessere Qualitäten - klar, auf Kosten des Defensivverhaltens.

Jens Keller in der Pressekonferenz

Dass dieses Mittel nicht stärker genutzt wurde, lag unter anderem an der Besetzung und Interpretation des zentralen Mittelfeldes. Während sich Stephan Fürstner dort gern fallen lässt, blieb Daube in einer Position zwischen den Innenverteidigern und Achtern. Wie in den letzten Analysen ausgeführt ist das sich-fallen-lassen des Sechsers nicht immer zielführend. In diesem Spiel hätte es aber Räume geöffnet, in die sich wiederum Kroos und Kreilach hätten begeben können, um so die Stuttgarter Achter herauszuziehen oder Freiheiten zu bekommen. Das hätte die Anspiele in die Spitze erleichtert.

Unions Pressing

In der ersten Halbzeit, und vor allem der ersten halben Stunde, war Stuttgart deutlich überlegen. Trotzdem zeigte Union auch schon in dieser Phase ordentliche Ansätze. Neben den nicht wahrgenommen Möglichkeiten im Offensivspiel ist vor allem das Pressing zu nennen, dessen Intensität im Vergleich zu den letzten Spielen wieder deutlich zunahm - aber keinen Zugriff auf das Spiel der Schwaben bekam.

Das lag vor allem an der sehr direkten Ausrichtung der Gäste, die das zentrale Mittelfeld (gelegentlich unterstützt vom aufrückenden Baumgartl) meist überspielten und stattdessen direkt Terodde un die Außen suchten. Auf Grund der Qualität des Passspiels und der Verarbeitung gab es dabei für Union auch wenige Ballgewinne in der zweiten Phase (sondern gefährliche Stuttgarter Offensivaktionen). Hinzu kam, dass um auf Außen Druck auszuüben sowohl das Mittelfeld als auch die Außenverteidiger weite Wege - und damit Risiken - gingen. So entstanden Räume hinter Pedersen und Trimmel für Mané und Özcan und auf der ballfernen Seite große Areale, in denen Union nach Verlagerungen keinen Zugriff hatte. Was gegen einen schwächeren oder anders ausgerichteten Gegner hätte funktionieren können, war so in diesem Spiel eher kontraproduktiv.

Umschwung

In der zweiten Halbzeit verschob sich das Kräfteverhältnis dann deutlich. Das war möglich, weil Union sich mit ordentlichen defensiven Einzelleistungen im Spiel gehalten hatte - und nun viel mehr richtig machte.

Expected goals flow Union-VfB

Der Expected Goals Graph zeigt - für alle, die das Spiel gesehen haben, wenig überraschend - dass Union erst in der zweiten Hälfte zu Chancen kam. Aber auch Stuttgart hatte außer Teroddes Tor weniger Abschlüsse als Spielanteile.

Neben dem Tor von Steven Skrzybski war die Einwechslung von Simon Hedlund der zweite Auslöser für diesen Umschwung. Der Schwede füllte mit seinen sehr guten Läufen in die Tiefe und vielen richtigen Entscheidungen die Rolle als linker Flügelstürmer exzellent aus und war ein stets verfügbarer Kanal für Unions Angriffsbemühungen. Seit der Umstellung auf ein System mit offensiven und defensiven Außen gelang es Union außerdem, die Flügelverteidiger Stuttgarts weiter hinten zu binden und (vor allem mit dem erneut sehr guten Pedersen) selbst im letzten Drittel Überzahlsituationen zu schaffen.

Szene des Spiels

Einer der guten Angriffe Unions in der zweiten Halbzeit (ab 22:52 AFTV): Nach einem Abschlag von Langerak und einem Leistner-Kopfball gewinnen Kroos und Daube Zweikämpfe im defensiven Mittelfeld. Skrzybski spielt den Ball auf Quaner, der ihn (zwischen sich und Baumgartl) festmacht, bevor Skrzybski ihn unterstützt und die Aktion zu einer Art Doppelpass macht und anschließend Hedlund schickt. Seinen gechipten Pass auf den zweiten Pfosten verpasst Quaner knapp.