Ganz normales Spiel

Union verliert zuerst 1-3 und gewinnt dann nur 3-1.

Grundausrichtung

Als ich am frühen Sonntag-Nachmittag die Aufstellungen für Unions Spiel in Bielefeld vernahm, bevor ich selbst aufbrach, um Fußball zu spielen (ein unglückliches 2-5, danke der Nachfrage), erwartete ich mir nichts Außergewöhnliches. Entsprechend überrascht war ich, als ich das von einem 4-4 Endstand erfuhr. Doch an diesem Spiel waren nicht nur das Ergebnis (und einige Tore) ungewöhnlich, sondern auch wie radikal unterschiedlich und klar demarkiert seine zwei Phasen waren.

Bielefeld-Union

In der einzigen Änderung in Unions Startformation rückte Nikci an Redondos Stelle. Es begann also wieder das FKK Mittelfeld ohne Eroll Zejnullahu.

Jens Keller schickte eine strategisch unveränderte Mannschaft in die Bielefelder Sommerhitze. Dabei war in der ersten Halbzeit der Flügelfokus aber noch stärker ausgeprägt als bisher. Das war etwas wunderlich, denn schließlich entgegnete Bielefeld ein 442 das meist ziemlich flach ausfiel. Nur in der Anfangsphase bildeten die Ostwestfalen gelegentlich in Abwehr und Mittelfeld Dreierketten, um im Zentrum Präsenz zu gewinnen.

Zentrum außer Acht

Meist war das jedoch nicht nötig, weil sich Union selbst den numerischen Vorteil im Zentrum und das Mittelfeld so aus dem Spiel nahm. Das geschah vor allem durch die Positionierung von Fürstner, der immer wieder zwischen oder neben die Innenverteidiger zurückfiel. Was wohl als Hilfe im Spielaufbau gedacht war, wirkte kontraproduktiv. Denn mit einem weiteren Spieler in der letzten Linie gewann man zwar dort Sicherheit, verlor jedoch jede Anbindung des Aufbauspiels an die offensiven Mannschaftsteile. Die Folge waren viele lange diagonale Bälle auf die Außen (vor allem Nikci und Pedersen auf links, da diese Bälle dem rechten Fuß von Fürstner näher lagen). Diese langen Pässe spielte Fürstner sogar gut, effektive Offensivaktionen produzierten sie aber trotzdem nicht.

Aufbau Probleme

Durch Fürstners Rolle kamen oft solche Staffelungen zustande. Fürstner stand vor dem Raum, den er selbst geräumt hat, und hatte kaum Optionen. Auch die Flügelspieler, die in der Folge angespielt kamen nicht zu Überladungen.

Außerdem litt die defensive Stabilität unter diesem Muster. Denn um sich für die beschriebenen Pässe anzubieten musste insbesondere Pedersen hoch stehen, was Räume auf seiner linken Abwehrseite öffnete, auf der die Arminia die Mehrzahl ihrer Chancen (und drei der vier Tore) einleitete.

Pressing

Nicht zum ersten Mal in dieser Saison zeigte Union nicht durchgängig hohes Pressing. Stattdessen gab es solche Ansätze nur als Anschlussaktion nach abgeschlossenen Angriffen. Paradebeispiel dafür war die Entstehung des 1-1, vor dem Union zunächst mit recht großen Abständen zwischen der ersten Linie und dem Mittelfeld presste, und Felix Kroos diese Lücke gut schloss und den Ballgewinn realisierte.

Markanter war das (konventionelle 442-) Pressing der Heimmannschaft, am deutlichsten als es den Freistoß zum 1-0 erzwang. (Das hatte sehr wenig mit 'individuellen Fehlern' zu tun, wie Jens Keller nach dem Spiel sagte, und war vielleicht nicht herausgespielt, Bielefeld hat die Situation aber gut ausgepresst.) Hier zeigte sich zwar der Grund für das Zurückfallen Fürstners, der als zusätzliche Anspielstation vor dem Pressing Sicherheit geben sollte. Doch auch in diesen Situationen kamen die oben beschriebenen Schwierigkeiten zu tragen indem mit der Anbindung nach vorn ein Konzept zum Überspielen des Pressings fehlte.

So gelang es Bielefeld mehrfach, statt Fürstners immerhin präziser Diagonalbälle unkontrollierte lange Schläge zu forcieren.

Eroll gewinnt 3-1

Dieses Blog und sein Autor sind bekennende Anhänger von Eroll Zejnullahu. Es braucht also keiner Einladung, von ihm ausgehende positive Effekte zu sehen und herauszustellen. In diesem Spiel waren diese aber überdeutlich.

Während Eroll das 3-2 Sekunden nach der Einwechslung noch lediglich durch seine Aura beeinflusste, war er an allen weiteren Angriffen und Toren entscheidend beteiligt.

Mit Zejnullahu hatte Union endlich mehr (spielerische) Präsenz im Mittelfeld. Anders als in den letzten Spielen kam der kosovarische Nationalspieler nicht für Kroos, sondern für Fürstner in die Partie. Diese (durch den Spielstand von 1-3 aus Unions Perspektive) erzwungene offensivere Variante bedeutete eine veränderte Ordnung des Mittelfeldtrios. Zejnullahu agierte von Fürstners Position auf der Sechs, schob von dort aber nach vorn, statt zurückzufallen. Dadurch gab es erstmals Zusammenspiel zwischen 6, 8 und 10 in Kombinationen durch das Mittelfeld ins offensive Zentrum. Union nutzte also nun die Überzahl in der Mitte des Feldes, in dem es zuvor überhaupt nicht stattgefunden hatte. Mit Zejnullahu und Kroos hatte man außerdem die technische Qualität, diese Räume sauber zu durchspielen. Bemerkenswert war auch Zejnullahus Wirkungsbereich, der vom tiefen zentralen Mittelfeld bis an den rechten Flügel reichte, sowie sein belebender Effekt auf mehrere Union Spieler. Der bis dato kaum eingebundene Kreilach wurde sehr viel aktiver, Skrzybski rückte näher an Unions Spiel (vielmehr: Unions Spiel wurde näher an ihn verlagert). Exemplarisch hierfür der Angriff zum von gleichermaßen schön Eroll vorbereiteten wie von Skrzybski abgeschlossenen 4-3.

So gab es zwar etwas weniger defensive Absicherung im Zentrum, aber der höhere Druck im Angriff und auf den Ball nach Ballverlusten sorgte für eine insgesamt ebenfalls verbesserte Defensive Ordnung.

Union verdiente sich so selbst einen Sieg und erspielte sich Chancen dazu, war aber in einigen Situationen glücklos im Einwirken des Schiedsrichters (offensichtlich seine Rolle beim 4-4, aber auch bei einem abgepfiffenen nicht-Foul im Pressing von Skrzybski an Hesl).

Szene des Spiels

Das 3-3 (ab 22:34 AFTV Zeit der zweiten Halbzeit). Der Angriff beginnt mit der oben abgebildeten suboptimalen Staffelung und Zejnullahu in der Rolle von Fürstner. Eroll erkennt die Perspektivlosigkeit der Situation und bewegt sich ins Zentrum, während der Ball mit Tempo die Viererkette entlang gespielt wird, und bekommt dort über Pedersen und Nikci den Ball, womit die anderthalb Pressinglinien überspielt werden. Von dort bindet er Kreilach ein, der auf Kroos in einem freien Raum im offensiven Zentrum prallen lässt. Trimmel hat nach Kroos Pass viel Zeit und Platz um einen kontrollierten, flachen Pass an die maximal gefährliche Stelle für Quaners zentimetergenauen Abschluss zu spielen.

Das 4-3 war ebenso gut, ohne die Reminiszenz an die vorangegangenen Probleme, aber mit exzellentem Herausrücken und Ballgewinn von Puncec.

PS

Meine Gedanken zum Spiel werden auch im Textilvergehen zu hören sein, live ab 21 Uhr.