Union ist eben keine Ballbesitzmannschaft

Union

Die Aufstellungen zu Beginn: Urs Fischer bleibt bei der Raute.

Union vergibt im Aufstiegsrennen einen Satzball in Darmstadt, weil es für zu wenig offensive Produktivität zu hohe Risiken eingehen muss.

Urs Fischer ließ in Darmstadt die Mannschaft wie beim Spiel gegen Hamburg auflaufen, nahm also weder personelle noch formationsmäßige Wechsel vor. Trotzdem unterschied sich die Ausrichtung der Mannschaft deutlich von der in der vergangenen Woche, weil Union das Spiel insgesamt deutlich offensiver anging - und angehen musste. Schließlich war Darmstadt in einer gänzlich anderen Situation als der HSV und hatte kaum einen Grund, sich besonders aktiv am Spiel zu beteiligen.

Dass Union durchaus einen solchen Grund hatte, äußerte sich vor allem darin, wie aggressiv das Stellungsspiel der Außenverteidiger war. Sie schoben weit nach vorn und standen oft schon während der Einleitung von Angriffen an der Schwelle zum Angriffsdrittel.

Über die Flügel wurden dann auch viele Angriffe ausgelöst. Das ist insofern interessant, als es in der Rauten-Formation, die Union auch in Darmstadt spielte, eigentlich ja keine Flügelspieler gibt. Aber durch die hohe Position der Außenverteidiger und deren häufiges Hinterlaufen nahmen sie quasi diese Rolle ein und bildeten Flügel-Paare mit den Halbspielern im Mittelfeld. Besonders auf der rechten Seite mit Ryerson und Trimmel war das häufig der Fall.

Christopher Trimmel

Christopher Trimmel hatte ein enttäuschendes Spiel. Photo: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images

Aber weder in der Entscheidungsfindung noch der Ausführung der Aktionen waren die beiden an diesem Nachmittag besonders glücklich. Gehässig könnte man sagen, dass sie eben wie ein Flügelduo aus zwei Verteidigern spielten. Das würde aber vielleicht die falschen Erwartungen über ihre defensiven Eigenschaften wecken. Denn bemerkenswert war, wie wenig abgesichert Unions Angriffe insbesondere in dieser Zone waren. Nach Ballverlusten hier stand man oft mit fünf bis sieben Feldspielern vor dem Ball. Das konnte eigentlich nicht gut gehen, und tat es in der ersten Halbzeit nur, weil Darmstadt die freien Räume weniger ambitioniert nutzte als zu Beginn der zweiten Hälfte. Darmstadts Trainer Dimitrios Grammozis hob nach dem Spiel besonders hervor, dass man mit breiter stehenden Flügelspielern Unions Raute horizontal mehr strapaziert hat und so größere Räume für die eigenen Angriffe öffnete.

Insgesamt zeigte sich in Unions Offensivbemühungen, dass Urs Fischers Mannschaft eben keine Ballbesitzmannschaft ist. Denn eine solche, die so hoch stand, hätte öfter probiert, den Ball von einer Seite auf die andere um Darmstadts Defensivformation zirkulieren zu lassen, und dabei Lücken zu suchen. Dafür fehlte Union das Gespür und die Geduld. Angriffe, in denen das möglich gewesen wäre, endeten so oft in Halbfeldflanken.

So war es auch kein Zufall, dass Union zwar am Ende viel mehr vom Spiel hatte als Darmstadt (das kommt etwa in den non-shot expected goals von FiveThirtyEight zum Ausdruck, in denen Union auf ein 2,2 - 0,7 kam), aber nicht wirklich die klar besseren Torchancen, von den letzten Minuten abgesehen (erst dann erarbeitete man sich auch in den expected goals nach Schüssen einen knappen 1,7 - 1,5 Vorsprung).

Zu weite Wege

Das hatte auch mit dem Pressing zu tun, das Urs Fischer nach dem Spiel noch lobte. Doch so zwingend wie vor einer ersten Chance von Abdullahi nach wenigen Minuten war es nur selten. Dabei gab es zwar klare Zuordnungen, die aber nicht immer akkurat eingehalten wurden. Vor allem waren aber in vielen Situationen für Ryerson und Prömel die Wege, um ins Pressing zu kommen, zu lang.

Stark Lilienfans gegen Rechts

Stark bei Darmstadt: Das Tor. Und die antifaschistische Positionierung. Photo: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images

Denn den Halbspielern in der Raute waren im Pressing die gegnerischen Außenverteidiger zugeteilt. Die liefen sie auch an. Aber auch beim 'anlaufen', einem der neueren Fußball-Fachbegriffe die sich etwas größerer Verbreitung erfreuen, kommt es eben wesentlich darauf an, aus welcher Richtung, in welchem Tempo und aus welcher Entfernung es geschieht. Wollten Prömel und Ryerson einigermaßen absichernd stehen, so lange sie auf der ballfernen Seite waren, konnten sie nicht nah genug an den Darmstädter Außenverteidigern sein, um die nennenswert unter Druck zu setzen.

So blieb Unions Pressing oft relativ wirkungslos. Nur in einigen wenigen Momenten, in denen man aus der Bewegung heraus Pässe verfolgte, oder Žulj die Stürmer gegen die Innenverteidigung unterstützte, gab es gefährliche Ballgewinne.

Szene des Spiels

Die Chance von Ryerson nach 28 Minuten, als Union es einmal schaffte, mit seiner hohen Formation Räume im Mittelfeld zu öffnen und zu seinem besten Angriff kam.

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