Genauso viel Fußball wie Stimmung

Union-Darm

Die Aufstellungen zu Beginn: Abdullahi und Mees behalten ihre Plätze, Kroos kommt auf der 10 wieder in die Mannschaft.

'Erwartense nüscht' ist die erste Maßgabe für alle, die sich ein Fußballspiel unter Beteiligung von Dirk Schusters Darmstadt 98 ansehen. Das galt auch an diesem Samstag Mittag in Köpenick, der außerdem unter dem Zeichen eines Stimmungsboykott in der ersten Halbzeit stehen würde. Auch hier also nichts zu erwarten. Aber dann gibt es doch ein bisschen Stimmung, ein bisschen Fußball und einen 3-1 Sieg für den 1. FC Union. Oder steht das U in 'FCU' inzwischen schon für 'unbesiegbar'?

Die Parallele zwischen Stimmung und Spiel ist dabei nicht ganz so einfach zu ziehen als dass man sagen könnte, dass es in der ersten Halbzeit von beidem nichts gab, und in der zweiten von beidem sehr viel. Denn das stimmt für beides nicht.

So wie es trotz des Gesangsboykotts in den ersten 45 Minuten mit Reaktionen auf das Geschehen auf dem Platz und gelegentlichen, irgendwie verhaltenem Torjubel auch eine Stimmung gab, so spielte auch Union Fußball. Nur war die Stimmung eben eine merkwürdige, etwas absurde; und verfolgte Union zu nicht geringen Teilen den Plan, Darmstadt das Spiel machen zu lassen. Ausgerechnet Darmstadt.

Zu diesem Plan gehörten im wesentlichen zwei Komponenten. Einerseits blieb Union für seine eigenen Angriffe bei dem Muster, wenig lange Ballstafetten aufzuziehen und den Ball so direkt wie möglich nach vorn zu spielen, sei es mit flachen Steilpässen oder langen, hohen Bällen und Ablagen. Dazu ist aber auch zu sagen, dass sich zumindest faktisch auch gegen Darmstadts tiefes Mittelfeldpressing keine klaren Möglichkeiten zu Kombinationen ergaben. Das war aber sicher wenigstens zum Teil von Union beabsichtigt - dass Prömel kaum den Ball im Aufbau forderte un Kroos von der Zehn entgegen seiner Gewohnheit nie zurückfiel macht das klar.

Kroos

Kroos ist kein besonders dynamischer, aber ein verlässlicher und umsichtiger Pressingspieler; Photo: Felix/Football & Wildlife Media/Union in Englisch

Dazu, dass Darmstadt mehr Zeit damit verbrachte, den Ball zwischen Torwart und Innenverteidigern hin und her zu schieben, trug aber auch Unions Verhalten gegen den Ball bei. Interessanterweise stand die Abwehr Unions oft höher als gewohnt. So nahm Urs Fischer Darmstadt das Ziel für lange Bälle. Damit geht zwar das Risiko einher, dass es hinter der Abwehr einen großen Raum gibt, in den der Ball verlängert werden könnte, wenn der erste Ball nicht gewonnen wird. Das heißt aber nur, sich auf die eigene Verteidigung in der letzten Linie zu verlassen. Und Union ist in der glücklichen Lage, das tun zu können.

Weil Union gleichzeitig mit gemäßigter Intensität die Innenverteidiger anlief, und vor allem weil Kroos recht verlässlich den Passweg ins Mittelfeld versperrte, fand Darmstadt insgesamt bis nach dem 3-0 keinen Weg nach vorn. Am Ende kamen die Hessen zu 0,3 expected Goals ("zu was?").

Die eingangs erwähnte Analogie zwischen Stimmung und Spiel hielt übrigens auch in der zweiten Halbzeit, denn ganz so berauschend wie das Ergebnis war beides aus Sicht von Union dann eigentlich nicht. Aber doch ganz akzeptabel.

Szene des Spiels

Andersson

Ein glücklich-schönes Tor von Sebastian Andersson; Photo: Felix/Football & Wildlife Media/Union in Englisch

Vielleicht ist es einen Tick zu harsch, das 2-0 als sinnbildlich für das Spiel zu nehmen, aber nur einen Tick. Eigentlich ist es eine Serie von misslungen Aktion, die aber trotzdem in ein Konzept passen: Andersson kann Gikiewiczs Abschlag nicht markieren, Abdullahi den Ball nicht bei der zweiten Gelegenheit festmachen, Darmstadt aber auch nicht klären. Dann versuchen Prömel, Abdullahi und Trimmel den Ball in Richtung Andersson zu spielen, treffen aber alle Darmstädter (von denen wiederum keiner die Szene beenden kann). So kann Andersson schließlich doch noch tun, was er vorhatte, sich den Ball vorlegen und mit einem leicht abgefälschten Halbvolley das 2-0 schießen.

Eiserne Ketten unterstützen: Liberapay Spendenplattform | AmazonAffiliateLink