Live aus dem Irgendwo
Liveanalyse aus Sandhausen, wo den 1. FC Union eine unangenehme Aufgabe erwartet.
Präambel
Nach einem Spiel mit Licht und (Deckungs)Schatten gegen Stuttgart, das insgesamt aber als starke Leistung Unions gewertet werden kann, steht die Mannschaft von Jens Keller im Nordbadischen vor entgegengesetzten Aufgaben. Musste man sich im Heim-Spitzenspiel mit einer in allen Phasen sehr aggressiv auftretenden VfB-Mannschaft auseinandersetzen, ist von Sandhausen eher eine passive Herangehensweise zu erwarten. Dabei sind zwar vereinzelte Pressingversuche durchaus zu erwarten, doch insgesamt wird Kenan Kocaks Mannschaft sich darauf konzentrieren, im 442/4411 diszipliniert zu verschieben und nach Ballgewinnen die relativ schnellen Außen und den durchschlagskräftigen Wooten zu suchen.
Angesichts dieser Anforderungen wird es interessant sein zu sehen, in welcher Besetzung das Union-Mittelfeld auflaufen wird. Fürstner wäre eine ruhiger ballverteilende, Daube eine beweglichere und offensivere und Eroll Zejnullahu eine kreativere Option.
Grundausrichtung
Jens Keller hat sich im zentralen defensiven Mittelfeld für Dennis Daube entschieden. Das deutet zum einen daraufhin, dass er Daubes - seiner Einschätzung nach - größeren Offensivqualitäten für wichtiger als defensive Faktoren hält, also vielleicht auch mit einem eher tiefstehenden Gegner rechnet. Andererseits wirft es die Frage auf, ob Daube - anders als in der Vorwoche - mit seinem Stellungsspiel Balance in den Aufbau der Köpenicker bringen kann.
Indes kommen die Mannschaften zum Aufwärmen auf den Rasen zwischen den Stahlrohrtribünen des Hardtwaldstadions in Sandhausen.
Was könnte Sandhausen anderes als das skizzierte konventionelle 442 machen? Sollte Union mit Raute spielen müssten die Gastgeber eine Entscheidung treffen, entweder die dann eklatante Unterzahl im Zentrum auszugleichen, und/oder die eigenen offensive Potentiale via der unterbesetzten Außen zu nutzen. Denkbar wäre, dass Pledl mit letzterem betraut wäre, und Kosecki auf einen deinen der Achter Unions einrückt.
Aber sollte Union im 433 oder mit Raute spielen. Die Aussagen Kellers in der PK fühlten sich eher nach 433 an, was eine passende Reaktion auf die Probleme in der Flügelverteidigung mit Raute wäre, die gegen Stuttgart deutlich waren und vom 442 Sandhausens ebenfalls hervorgerufen werden könnten. Um im Mittelfeld Durchschlagskraft zu erreichen, könnten die Außen in den Zwischenlinienraum einrücken um Pässe dahin zu ermöglichen und wird es wichtig sein, dass Daube sich passend bewegt um Verbindungen zwischen Innenverteidigung und Achtern zu schaffen.
1. Halbzeit
1. Minute
Union beginnt augenscheinlich tatsächlich im 433, Sandhausen wenig überraschend mit 442.
8. Minute
Ein zerfahrener Beginn mit wenig ausgespielten Aktionen, obwohl sich andeutet, dass es für die Außenstürmer Unions Platz in den Halbräumen geben könnte, in den Skrzybski bisher noch nicht mit dem richtigen timing geschickt wurde.
12. Minute
Erste größere Chance, nachdem Quaner --- 1-0 Union
Zunächst hatte Quaner einen Ball gut behauptet und Hedlund eingesetzt, dessen Schuss zur Ecke abgewehrt wird. Nach der Kroos per Volley trifft.
17. Minute
Sandhausens Stürmer pressen öfter hoch auf Leistner und Puncec, sodass Daube frei bleibt. Allerdings wird er deshalb auch noch nicht konstant gefunden.
23. Minute
Eine der konstantesten Stärken Unions in dieser Saison, die individuell starken Abwehrleistungen, wackelt heute etwas.
28. Minute
Noch immer gibt es wenig ruhiges Aufbauspiel, öfter sucht Union direkt die Läufe Hedlunds und Skrzybskis oder die Brust von Quaner, Sandhausen hingegen Wooten.
32. Minute
Zwei solche Situationen führen zu einer Chance für Quaner, bei der die Ablage auf Hedlund verpasst, und einer gelben Karte nebst vielversprechendem Freistoß auf der anderen Seite.
40. Minute
In einer ungeordneten Phase hat Sandhausen einige Gelegenheiten, Wootens Klasse ins Spiel zu bringen. Einen ansatzlosen (und abgefälschten) Schuss aus der Drehung und kurzer Distanz, den Busk sensationell hält.
Halbzeit
Es geht mit dem 0-1 in die Pause. Union hatte mehr gefährliche Offensivaktionen und insgesamt mehr vom Spiel, vor allem dank der Präsenz von Quaner und seinen Ablagen auf die einrückenden Außenstürmer. Das Mittelfeld ist dagegen nicht stark in den Aufbau eingebunden, und die Achter hatten nur wenige Szenen im Umschaltspiel, wo Kreilach einige Male gut Bälle verteilte. Sandhausen entgeht den Pressingansätzen der Köpenicker, indem es früh lange Bälle spielt, die Unions Hintermannschaft in eins-gegen-eins Duelle vor allem mit Wooten und Pledl zwingt.
Fürstner macht sich währenddessen in der Halbzeit in kurzen Hosen und Sprints warm. Der Sechser kommt in der Tat für Daube ins Spiel.
2. Halbzeit
48. Minute
Fürstner bringt etwas mehr Ruhe in das Mittelfeld Unions und einige Bälle gut zu Quaner, der daraus, und aus einem guten Gegenpressingmoment, eine fast-Chance kreirt.
53. Minute
An den Mustern des Spiels ändert sich wenig, auch wenn Sandhausen nun etwas höher aufrückt und versucht, Druck auszuüben.
60. Minute
Sandhausen wechselt, auf Linksaußen kommt Vollmann für Kosecki. Die Heimmannschaft hat in dieser Phase mehr Ballbesitz, spielt aber weiter mit den gleiche direkten Mitteln wie bisher. Union tut sich schwer, diesen Trend umzukehren, auch weil es keine Ansatzpunkte für Pressing gibt. Kommt die Mannschaft in Rot an den Ball, sucht sie schnell entscheidende Pässe. So das 2-0 zu erzielen scheint die wahrscheinlichste Option, das Spiel zu beruhigen.
67. Minute
Ein sauberer Konter über Skrzybski und Kreilach kommt dem am nächsten, der Abschluss des Stürmers trifft den Pfosten.
70. Minute
Bei Sandhausen kommt Sukuta Pasu. Interessanter als das Spiel von Sandhausens Linsmayer sind übrigens die Podcasts seines Namensvetters, des Philosophen und Musikers Mark Linsenmayer, Partially Examined Life und Nakedly Examined Music.
76. Minute
Bei Union kommt Redondo für Hedlund, der in den letzten Minuten zunehmend glücklos agierte. Bei einem nicht als Foul gewerteten Einsatz von Leistner kommt dann sogar so etwas wie Stimmung auf. Der letzte Wechsel der Gastgeber: Vunguidica für Höler. Auch das positionsgetreu.
80. Minute
Auf der Anzeigetafel werden S-Bahnverbindungen angezeigt und auch sonst gibt es nichts Neues.
85. Minute
Es ist kein Festival der taktischen Einfälle und Entwicklungen. Daran ändert auch eine Großchance Sandhausens nach Freistoßflanke nichts. Ebensowenig wie die bevorstehende Einwechslung von Benjamin Kessel, er kommt für Skrzybski.
88. Minute
Allerdings erwachsen aus der zunehmenden Passivität Unions entstehen etwas mehr Halbchancen für Sandhausen als nötig wäre.
Schluss
Eine letzte große Chance für Redondo verstreicht. Es bleibt beim 0-1, Union gewinnt glanzlos in Sandhausen.
Epilog
Ein Spiel, das wohl niemandem besonders viel Spaß gemacht, gewinnt Union mit einem utilitaristischen Ansatz. Auch in den Aussagen von Spielern und Trainer nach der Partie wurde deutlich, dass die drei sieglosen Spiele zuletzt das Selbstvertrauen der Mannschaft angekratzt hatten und man auch deshalb auf direktes Spiel nach vorne gesetzt hat. Interessanterweise ließ Jens Keller durchscheinen, dass die Mannschaft diese Entscheidung zumindest mit getroffen hat.
Hier ist es echt ekelhaft zu spielen.
Stephan Fürstner
Sowohl Steven Skrzybski als auch Toni Leistner betonten nach dem Spiel das man versucht habe, über das Gegenpressing zu Chancen zu kommen. Gegenpressing der reinen Lehre gab es zwar mangels Ballbesitzphasen auf jeder Seite kaum, aber tatsächlich kam Union nach abgefangenen Bällen zu Konterchancen, die klarer waren als die gezwungenen Versuchen Sandhausens, mit hohen Bällen Druck aufzubauen.
Dass niemand wirklich kontrolliert spielte bedeutete auch, dass Union die Schlussoffensive der Heimmannschaft nicht unterbinden konnte, sondern keine andere Wahl hatte, als sie konzentriert zu verteidigen. Dass das gelang, spricht für diese Union Mannschaft, auch wenn sie heute wenig subtilere Qualitäten zeigen konnte.