Was bisher geschah

Als der 1. FC Union in dieser Woche Trainer Norbert Düwel entließ, kam das für fast alle Beobachter und Anhänger Unions überraschend - wohl auch diejenigen im Stadion, die sich nie zu #teamdüwel gehörig fühlten.

Zum Auftakt dieses Blogs, der das Spielgeschehen in Köpenick aus taktischer Perspektive analysieren und kommentieren wird, möchte ich einige der Probleme am Ende von Düwels Zeit beleuchten, und - in groben Zügen - zeigen warum zumindest die Trennung von Düwel richtig war. Darüber, wie es mit Sascha Lewandowski weiter gehen könnte, werde ich im nächsten Blog Eintrag hemmungslos spekulieren irrational träumen nachdenken.

Vor allem angesichts der vielen späten Gegentore könnte der Eindruck entstehen, Düwel habe vor allem Pech gehabt: mit etwas mehr Glück in den Endphasen der Spiele bisher könnte Union statt sieglos mit vier Punkten auf Platz 14 zu liegen durchaus noch direkteren Anschluss an die Aufstiegsplätze haben.

Damit würde man aber verkennen, dass die gezeigten Leistungen von Union bisher den Ergebnissen einigermaßen entsprechen, und jedenfalls nicht für das ominöse Saisonziel 'Platz 1-6' ausreichen.

Spielaufbau - or the lack thereof

In den ersten fünf Ligaspielen trat Union in 442, 4231 und 352-artigen Formationen auf, hatte bei all diesen Ausrichtungen aber ähnliche Probleme.Besonders deutlich zu sehen waren diese in der ersten Halbzeit des Spiels gegen 'die Region'.

Union agierte mit einer Viererkette in der Abwehr, Stephan Fürstner als tiefstem Mittelfeldspieler hinter Damir Kreilach und einer flexiblen offensiven Dreierreihe sowie Bobby Wood im Sturmzentrum. Fürstner war dabei im Spielaufbau oft stark isoliert. Die Abstände zu den vier offensiven Spielern waren in vielen Situationen absurd groß, sodass konstruktive Anspielstationen fehlten.

Daran änderte sich auch nichts, wenn Fürstner zwischen die Innenverteidiger abkippte, da diese Bewegungen zu langsam und spät passierten - Kaiserslautern konnte Pässe auf Kreilach zustellen, Fürstner anlaufen und lange Bälle provozieren (soweit Union diese nicht schon freiwillig spielte).

Aus diesen langen Bällen resultierten fast ausschließlich Ballverluste, in Zweikämpfen, die Bobby Wood oft gegen zwei körperlich überlegene Gegenspieler in von Union nicht überladenen Räumen führen musste. Dass ihm dieser Umstand von Teilen des Publikums vorgeworfen wurde, erhöhte den Spass am Zuschauen nicht sonderlich.

Die Probleme, die Union in dieser Saison im Spielaufbau hat, zeigen sich in den Passquoten - nur einmal kam Union auf mehr als 70%. (Dank einer verbesserten zweiten Hälfte gegen Kaiserslautern.) Vor allem in Spielen, in denen Union lange in Führung lag, ist dass deutlich zu wenig und trug dazu bei, dass die Mannschaft Spiele nicht kontrollieren (und gewinnen) konnte.

Die vielleicht besten Ansätze Unions im Spielaufbau in dieser Saison waren zum Auftakt gegen Düsseldorf zu sehen. Mit Kreilach und Fürstner auf der Sechs war man in diesem Raum präsenter als in anderen Spielen. Mit dieser Ordnung - und Trimmel, der im mittleren Drittel Breite gab - wurde dieser Raum etwas öfter genutzt und seltener überspielt.

Probleme waren aber auch in diesem Spiel zu sehen: Sowohl Fürstner als auch Kreilach neigen zu weiträumigen Diagonalpässen und sind in engen Räumen nicht außerordentlich spielstark und pressingresistent. Kreilach kann dynamisch in Räume vor ihm stoßen, spektakuläre Pässe spielen und Zweikämpfe geschickt gestalten, aber findet unter Druck eher selten spielerische Lösungen, die den Platz, den pressende Gegner hinter der pressenden Linie bieten, nutzen.

Außerdem ist keiner von Unions (vielen) Innenverteidigern spielerisch sicher genug, flache Spieleröffnungen zu suchen. Wie groß der Anteil der Trainervorgaben daran ist und ob der Kader eine Alternative hergibt, wird sich vielleicht unter Lewandowski zeigen.

Defensive Abläufe

Gleichzeitig zu den Problemen in Ballbesitz funktionierten auch die defensiven Mechanismen oft nicht: lang in Unterzahlsituationen gespielte Bälle konnten dort nicht gegen-gepresst werden, wodurch etwa Kaiserslautern die Möglichkeit hatte, ohne Druck Bälle hinter eine Union Abwehr zu spielen, die höher stand als es die Mittelfeldordnung sinnvoll zugelassen hätte.

So entstanden innerhalb von 45 Minuten vier bis fünf fast identische Chancen, bei denen der rechte Flügelstürmer mit Bogenläufen Chipbälle hinter Unions Abwehr erreichte, wobei die Viererkette höher stand als der Druck auf den Ball erlaubte.

Dazu kamen individuelle Fehler, die sich etwa in vielen (gegebenen und verschonten) Strafstößen niederschlugen. Die primäre Ursache für defensive Probleme ist aber, dass Union zwar mit dem Anspruch antrat, das Spiel zu bestimmen, dies aber letztlich nicht konnte. Daraus folgte, dass man weder den Ball noch die Räume, in denen die Kontrahenten Angriffe generierten und ausspielten, kontrollieren konnte.

Insgesamt entspricht eine Spielanlage wie gegen Kaiserslautern weder dem Charakter der Spieler, noch irgendeiner Vision die Norbert Düwel vom Fußball seiner Mannschaft hatte. Schon dass solche Diskrepanzen existierten zeigt, dass es notwendig war, das Spiel der Mannschaft neu aufzusetzen. Dass der Verein sich entschied, dies mit einem neuen Trainer zu tun, ist verständlich, und die Länderspielpause ein geeigneter Zeitpunkt dazu.

Erfolgsinstabile Strategien

Um nicht in unfairer Weise eine unterdurchschnittliche Leistung herauszugreifen möchte ich auf eine Spielphase schauen, über die Norbert Düwel im Trainergespräch sagte, dass nur Tore dazu gefehlt hätten, seinen Erwartungen an das Spiel der Mannschaft komplett zu entsprechen: die ersten 45 Minuten gegen 1860 München.

Bemerkenswert war an diesem Spiel nicht nur, dass Düwel die Mannschaft vor allem für ihre Einstellung lobte - und indirekt einzelne, nicht genannte Spieler für Egozentrismus kritisierte -, sondern auch, dass eine vorgeblich sehr zufrieden stellende Leistung kaum klare Torchance hervorbrachte. (Die beste entstand, als ein starker 40-Meter-Ball von Kreilach Skrzybski im Strafraum erreichte, der in aussichtsreicher Position einen schwer zu verarbeitenden Ball über das Tor schoss.)

Union spielte in einem 4141 mit Eroll Zejnullahu im defensiven Mittelfeld und Sören Brandy formell als Achter. Da Eroll nicht Sergio Busquets ist, konnte er nicht allein auf der ganzen Breite des Feldes Anspielstation für Kombinationen durch das Mittelfeld sein. Folglich sah man immer wieder Bälle von der Abwehr in die Viererreihe hinter Wood, die unter Druck und oft in Unterzahl verarbeitet werden mussten.

Obwohl solche Aktionen dem Naturell zumindest von Brandy entsprechen, können sie keine hohen Erfolgsraten haben. Da Kombinationen zwischen der Mittelfeldkette und Wood zudem an der Grenze zwischen dem zweitem und letzten Drittel stattfanden, war Union selbst wenn sie gelangen noch weit von Abschlusspositionen entfernt, ohne dass der ballführende Unioner eine weitere Anspielstation gehabt hätte.

Das Resultat waren Angriffe, die zwischen den Münchner Ketten versandeten und Abschlüsse zumeist aus Positionen, in denen sie sehr unwahrscheinlich zu Toren führen.

Zwischenfazit

Obwohl die individuelle Qualität von Unions Kader mit dieser Saison gewachsen sein sollte, oder zumindest breiter und gleichmäßiger verteilt ist, war bisher keine positive Entwicklung zu sehen.

Da die meisten Zugänge sehr früh besiegelt waren, Norbert Düwel mittlerweile mit der bestehenden Mannschaft und dem Umfeld vertraut war, keine externen Faktoren wie schwere Verletzungen die Mannschaft behindert haben und die Ergebnisse den Leistungen entsprachen, ist die Position, in der sich Union nach einem Siebtel der Saison befindet ein realistischer Nachweis der Qualität der Arbeit unter dem bisherigen Gespann.

Da diese Position den Ansprüchen des Vereins nicht gerecht wird, und mit Sascha Lewandowski offenkundig eine Alternative bereit stand, von der man sich eine wesentliche Verbesserung versprechen darf, scheint die Entscheidung gerechtfertigt.

Ob sie von Erfolg gekrönt sein wird zeigen freilich die nächsten Monate.

Titelphoto: Mit freundlicher Genehmigung von Stefanie Fiebrig