Intensitätssieg
Union gewinnt ein Spiel gegen Bochum, vor dem nicht viel für die Eisernen sprach, trotzdem, weil sie die formstärkste Mannschaft der Liga mit Intensität dominieren - aber nach vielen ungenutzten Chancen auch Glück haben, dass Tore fallen, für deren Zustandekommen es keinen Grund gibt.
Auf Taktik fokussierten Beobachtern von Fußball wird gern vorgeworfen, alle anderen Faktoren, die beeinflussen, wie gut eine Mannschaft Fußball spielt oder wie eine Partie ausgeht, zu ignorieren. Das stimmt (wenigstens in dieser Allgemeinheit) aus mehreren Gründen nicht. Erstens, weil über eine Sache zu reden nicht impliziert, dass es über nichts anderes etwas zu sagen gibt. Und zweitens, weil viele solcher Analysen gern zugestehen, dass auch anderes in einem Spiel und für die Leistung einer Mannschaft wichtig ist, als in welcher Formation sie aufläuft oder welche Laufwege ihr vorgegeben werden.
Dieses letzte Heimspiel Unions in dieser turbulenten, verkorksten, halbwegs-geretteten Saison ist dafür ein gutes Beispiel. Entscheidend war nicht, dass Union in einem 442 Pressing Bochums Aufbau anlief, und dabei versuchte, das kombinationsstarke Mittelfeld der Gäste nicht ins Spiel kommen zu lassen. Oder dass einer der Sechser Unions - komplett rotiert Micha Parensen und Grischa Prömel - Bochums Zehner Kevin Stöger verfolgte, wenn er sich tiefer in das Aufbauspiel einschalten wollte. Oder auch nicht, dass Union aus dem eigenen Aufbau ähnlich wenig produzierte wie zuletzt.
Ausschlaggebend war dagegen, dass Union sein Pressing sehr gut und mit hoher Intensität umsetzte, dass Bochumer Spieler sich fühlten, als stünden ihnen "bei jeder Ballannahme drei Union Spieler auf unseren Füßen" (Lukas Hinterseer) und, wie etwa Anthony Losilla sagte, "nie den Moment gefunden haben, in das Spiel hereinzukommen." Trainer Robin Dutt fasste dieses Problem seiner Mannschaft zusammen, indem er sagte, solche Situationen seien "meistens eine Mischung daraus, dass man selber nicht so in seiner Mitte ist, nicht so kompakt auftritt als Mannschaft - der Gegner das aber umgekehrt tut." Seine Mitte hatte Innenverteidiger Patrick Fabian auch nach dem Spiel noch nicht gefunden, als er sich aus dem Spielertunnel kommend lautstark darüber beschwerte, wie Bochum dieses Spiel und Teile seiner Saison angegangen war.
Diese fehlende Kompaktheit und ebenso nicht hergestellte Verbindungen, die Dutt im Spiel seiner Mannschaft vermisste, äußerten sich in diesem Spiel vor allem darin, dass auch die Passoptionen, die das Pressing von Union offen ließ, zu selten genutzt wurden, und Union so zu vielen Balleroberungen kam. Nach 'Interceptions' (abgefangenen Bällen) stand es am Ende 17-3 (!!) für Union. Ungefähr so überlegen war die Mannschaft von André Hofschneider, vor allem in den ersten zwanzig Minuten und am Beginn der zweiten Halbzeit. Insbesondere Redondo und Skrzybski, die jeweils starke Leistungen mit Toren krönten, spielten gegen den Ball mit hoher Intensität. Für Redondo hätte sich das beinahe schon nach wenigen Minuten ausgezahlt, als er dank eines guten Sprints einen Abschlag von Riemann blockte.
Weil die guten Ballgewinne im Pressing genutzt wurden, um druckvoll und schnell, wenngleich manchmal etwas unsauber, in die Spitze zu spielen, resultierten daraus auch viele gute Chancen, die Union jedoch nicht nutzen konnte. Am Ende des Spiels kam Union (auch dank einiger sehr offener Konter in der Schlussphase) auf den mit Abstand höchsten offensiven expected goals Wert der Saison (5,1). An einigen dieser Szenen war auch Peter Kurzweg beteiligt, der überraschend statt Kristian Pedersen in der Startelf stand. Kurzweg verkörperte sowohl die Intensität, die Unions Spiel an diesem Nachmittag auszeichnete, und traf im Lauf des Spiels immer bessere Entscheidungen im Kombinationsspiel.
Zwischen diesen Phasen zog sich Union durchatmend etwas zurück, und hatte Bochum prompt einige Szenen, die zeigten, wie ihr Offensivspiel aussehen würde. In diesen Szenen verschaffte sich Stöger mit kurzen Dribblings etwas Raum und spielte die Pässe durch Verteidigungslinien, die ein wesentlicher Teil von Bochums Offensive sind.
Aber weil zwei Szenen, in denen Danilo Soares zur tragischen Figur des Tages wurde, Union eine 2-0 Führung bescherten, fiel das nicht weiter ins Gewicht. Stattdessen wurden große Teile der zweiten Halbzeit zur garbage time, in der alle das Ergebnis des Spiels scheinbar akzeptiert hatten und etwa Simon Hedlund einige Male Aktionen am Ball mehr verzögerte als, wie zuvor, zielstrebig zum Tor zu spielen.
Szene des Spiels
Das 1-0 für Union nach 45 Minuten: Während Soares verletzt neben dem Spielfeld lag und behandelt wurde, eroberte Grischa Prömel einen weiteren Ball für Union. Dass in dem entstehenden Spieler-Knäuel kein Foul gesehen wird und Micha Parensen am schnellsten reagierte und sah, dass er einen Pass hinter die Bochumer Abwehr spielen konnte, versinnbildlichte das Spiel. Mit Glück kommt der Ball zu Redondo, der aus kurzer Distanz trifft.
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