Sieben

Im Spiel gegen Bochum zeigt der 1. FC Union einige neue Rollenverteilungen und vieles, das man aus den letzten Wochen kennt: gute Strafraumverteidigung, mäßig viel Kreativität, gefährliche Standards. Und einen Heimsieg.

Grundausrichtung

Nach dem fehlgeschlagenen Versuch mit Raute in Nürnberg kehrte Union zu einer 433 Variante zurück, mit einigen personellen und formativen Variationen. Die von der taktik-interessierten Szene vielgelobten Gäste aus Bochum entgegneten dem ein 4231, bei dem die Mittelfeldbesetzung allerdings flexibel war und dann zwei Spieler in den Halbräumen hinter Simon Terodde als 'Zehner' agierten.

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Die Möglichkeit eines Innenverteidigers Stephan Fürstner stand lange im Raum, und nun auch einmal auf dem Platz. Neben ihm war Toni Leistner wieder einsatzbereit. Außerdem kam Dennis Daube zurück in die Mannschaft und ersetzte den gesperrten Eroll auf der Sechs. Nikci und Brandy erfüllten recht verschiedene Rollen.

Unioner Asymmetrie

Dass Adrian Nikci und Sören Brandy sich in ihrer Positionierung und Spielweise sehr unterschiedlich verhielten, und so eine asymmetrische (Nicht-)Besetzung der Flügel herbeiführten, war das auffälligste taktische Element in Unions Spiel. Auf der linken Seite gab Nikci in Ballbesitz einen relativ orthodoxen offensiven Außen. Dagegen war Brandy zwar schematisch als Rechtsaußen postiert, nahm in Wirklichkeit aber eine Freirolle ein und füllte auf der ganzen Breite des Platzes Räume hinter (und zuweilen auch vor) Bobby Wood ein.

Der Sinn dieser Maßnahme lag darin, im Pressing Brandys Zweikampfstärke und geschickte Positionierung gegen das Bochumer Aufbauspiel im Zentrum zu nutzen (und eventuell in eigenen Angriffen über eine Relaisstation zu verfügen, über die Wood Bälle mit Tempo aufnehmen können soll). Direktes Anlaufen des Torwarts durch Brandy gab es dabei vor allem in Umschaltmomenten zu sehen. Konnte Bochum dagegen aus Spielunterbrechungen das Aufbauspiel beginnen, postierte sich Union in der Regel in einem 433, bei dem zumeist Kreilach neben oder zwischen Brandy und Wood schob und sich Nikci auf eine Linie mit Daube und Kroos fallen ließ. Seltener sah man Kroos oder Nikci die Rolle von Kreilach übernehmen; in einzelnen Situationen blieb Nikci in der vordersten Linie und entstand ein 424.

Auf die eine oder andere Weise gelang es Union so meist, das Bochumer zentrale Mittelfeld nicht ins Spiel kommen zu lassen. Wenn sich die Mannschaft von Gertjan Verbeek aus dem Pressing befreien konnte, verdankte sich dies oft der Wechselwirkung von Unions Asymmetrie: der größeren Freiräume für Linksverteidiger Maria. Obwohl Felix Kroos sich bemühte, defensiv auf dem rechten Flügel auszuhelfen und dort viele Zweikämpfe führte, war er doch als zentraler Mittelfeldspieler meist zu weit von Maria entfernt um Pässe auf ihn zu verhindern oder seine Ballannahmen zu stören. Folglich bestand Bochums hauptsächliches Angriffsschema darin, das Spiel auf die eigene linke Seite zu verlagern und dort Benjamin Kessel mit zwei Gegenspielern zu überladen.

Wirkliche Großchancen entstanden aus diesem - im Prinzip gut funktionierenden Mechanismus - aber nur sehr selten. Das lag einmal mehr an Unions starker Strafraumverteidigung. Auch mit Fürstner in der Innenverteidigung war man bei Flanken weitgehend ungefährdet, weil es Toni Leistner fast immer gelang, die richtige Entscheidung zwischen Herausrücken zur Unterstützung Kessels (wobei Leistner wiederum durch Dennis Daube meist rechtzeitig abgesichert wurde) und Halten des Zentrums zu treffen.

Aufbau Innenverteidigung

Mit Fürstner in der Innenverteidigung wollte Andre Hofschneider sowohl das Abwehrverhalten als auch das Passspiel aus dem defensiven Zentrum heraus proaktiver gestalten. Das gelang auf recht beeindruckende Art und Weise - mit einer langen Diagonalverlagerung auf Kessel leitete Fürstner etwa eine Kopfballchance von Wood und damit die Phase höheren Union Drucks ein, die im Tor gipfelte.

Zu Fürstners Effektivität trug allerdings auch Toni Leistner bei. Dass der Dresdner deutlich anspruchsvollere Pässe sucht und oft erfolgreich spielt als zu Beginn auch noch dieser Saison verbietet es dem gegnerischen Pressing, sich auf Fürstner zu konzentrieren. Deshalb, und weil auch Jakob Busk ins Aufbauspiel eingebunden werden und für Überzahl gegen pressende Stürmer sorgen kann, ist es auch für die Sechser Unions möglich sich im Mittelfeld anzubieten statt zwischen die Innenverteidiger zurückzufallen - Überzahl höher auf dem Feld erleichtert das Kombinationsspiel. Gerade gegen Mannschaften, die sich in der Verteidigung so stark um den Gegner zusammenziehen wie Bochum und den Raum dort eng machen sind sowohl zusätzliche Anspielstationen im Mittelfeld als auch Innenverteidiger, die Bälle schnell verarbeiten und präzise weiterverteilen können, wichtig.

Dank dieser Effekte hatte Union mehr spielerische Offensivmomente als zuletzt (wenn man ohne Eroll auskommen musste). Trotzdem waren Standardsituationen einmal mehr die hauptsächliche Quelle gefährlicher Abschlüsse. Einige suboptimal ausgespielte Ansätze zu Schnellangriffen über die Flügel gaben allerdings Hoffnung, dass dies auch mit geänderter Personallage (Thiel, Korte etc.) verbessert werden könnte.

Szene des Spiels

Dieses Blog lehnt Flanken offiziell ab. Daher fand ein Union Angriff Mitte der zweiten Halbzeit (19:00 AFTV zweite Halbzeit) etwas Anklang, bei dem sich Brandy (insgesamt mit vielen guten, aber glücklosen Aktionen) nach einem Einwurf an der Seitenlinie durchsetzte, aber nicht im klassischen Sinn flankte, sondern diagonal zurück auf Wood spielte. Der legte auf Kroos ab, dessen Abschluss gehalten wurde. Brandys Pass war noch nicht ganz die Flügelaktion, die ich mir wünschen würde - dafür war der Pass auf Wood zu hoch und von zu weit außen gespielt - zeigte aber an, wie man Tor-chancen maximieren könnte.