Mailbag: Hat Union einen Plan? Oder auch zwei?

Weil die eigentliche Analyse zum Spiel von Union in Köln bei Spielverlagerung erschienen ist, gibt es hier in dieser Woche ein Sonderprogramm: ein Fragenspezial. Und wenn sich das Format bewährt, gibt es das vielleicht auch noch öfter...

  • ExWuschel fragt: Ist die Defensive nun wirklich stabiler als in vergangenen Jahren, oder hatte Union einfach nur Glück, erst ein Gegentor gefangen zu haben?

Man könnte jetzt sagen, dass es mit nur zwei Spielen Material viel zu früh ist, das zu beurteilen. Aber das gilt ja für alles hier und ist auch nicht unbedingt wahr, denn in diesen beiden Spielen hat man schon wenigstens Hinweise auf Stärken und Probleme gesehen. Gegen Köln hatte Union offensichtlich ein defensives Konzept, dass sich dann auch als tragfähig herausgestellt hat. Außerdem waren bisher Szenen, in denen sehr hoch gepresst wurde, seltener - und damit hatte man auch weniger oft Probleme mit fehlender Absicherung dieses Pressings. Diese Probleme bestanden den vergangenen Saisons oft in viel Raum im Mittelfeld Unions und vor der Abwehr. Fragezeichen stehen noch hinter der Qualität der Abwehr in der Restverteidigung, aber dazu später mehr.

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Von Unions Defensivplan war bisher mehr zu sehen als vom Offensivkonzept, Photo: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

  • ... und außerdem, gemeinsam mit kalleleo: Gibt es offensiv schon einen erkennbaren Plan? Die beiden Tore sind ja nicht allzu systematisch herausgespielte Großchancen gewesen, sondern etwas Glück (Köln) und ein genialer Standard (Aue).

Das Tor in Köln fiel zwar schon aus systematisch zwingenden Gründen, denn solche Balleroberungen und Konter waren ein wichtiger Bestandteil von Unions 'Matchplan' und öfters zu sehen. Die Frage ist aber dennoch sehr berechtigt, denn ein klarer offensiver Fokus aus dem eigenen Aufbau heraus war bisher schwer zu erkennen - eben auch gegen Aue, als man öfter aus solchen Situationen agierte.

In diesem Spiel waren noch bekannte, problematische Muster aus der jüngeren Vergangenheit der Mannschaft zu sehen. Dazu gehörte eine unklare und/oder inkonstante Einbindung des defensiven Mittelfelds im Aufbau und wenig produktives Vorrücken von einem der zentralen Mittelfeldspieler in die vorderen Räume des Spielfeld: Grischa Prömel quasi in der Damir Kreilach Rolle. Allerdings war auch offensichtlich, dass noch nicht alles (oder: jeder) so lief, wie gedacht. Das Pokalspiel in Jena, in das man automatisch als Favorit geht, könnte da schon etwas mehr Aufschluss geben.

  • Sportanwalt fragt: Ken Reichel oder Christopher Lenz?

Weiter oben habe ich davon gesprochen, dass sich noch Fragen an die Restverteidigung stellen. Das betrifft die Innenverteidigung, deren Besetzung wegen Verletzungen und Abwesenheiten noch im Fluss ist. Es betrifft aber vor allem auch Ken Reichel auf der linken Seite der Abwehr. Denn der Neuzugang aus Braunschweig konnte in den ersten Spielen, in denen er in der Startelf stand, nicht wirklich überzeugen. Gegen Aue hatte er in einer etwas weiträumigeren Rolle Schwierigkeiten, je nach Situation ausreichend schnell auf Aues Flügelverteidiger herauszuschieben oder in tieferen Positionen zu verteidigen. Gegen Köln war Reichels Abwehrseite die anfälligste Stelle bei Union, weil Reichel im eins-gegen-eins gegen die Kölner Außen nicht sehr gut aussah.

All das spricht schon für Lenz. Doch der aus Kiel zurück gekommene jüngere Linksverteidiger ist auch am Ball besser und offensiv produktiver (trotz Reichels gutem Freistoß gegen Köln - aber das kann Lenz auch). Lenz ist im Kombinationsspiel verlässlicher, etwas präziser in der Ballverarbeitung und kommt, wenn er sich offensiv einschaltet, öfter an die Grundlinie und zum Flanken. Die Eindrücke bisher deuten darauf hin, dass er das größere Potential hat. Ob und wann er sich in der Startaufstellung durchsetzen kann bleibt abzuwarten.

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Michael Parensen im Kopfballduell. Jhon Cordoba als Gegenspieler drückt nicht nur wortwörtlich Parensen, sondern auch dessen Statistiken; Photo: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

  • Sebastian Jonas fragt: Wie schneidet Union hinsichtlich gewonnener Kopfballduelle der Innenverteidigung in den ersten beiden Spielen im Vergleich zur letzten Saison ab?

Die nackten Zahlen: Micha Parensen hat pro Spiel 5 Kopfballduelle geführt und die Hälfte davon gewonnen, Marvin Friedrich kam auf 4,5 pro Spiel bei etwas besserer Quote (3,5 gewonnen, 1 verloren). In der letzten Saison hatte Toni Leistner alle 90 Minuten 9,6 Kopfballduelle zu bestreiten, von denen er 6,6 gewann und 2,9 verlor. Marc Torrejón, der Innenverteidiger mit den zweit-meisten Einsatzminuten kam auf 3,6 (2 : 1,7).

Ob sich das Gesamtvolumen der Kopfballduelle noch an das aus der letzten Saison angleicht, bleibt abzuwarten. Das hängt aber auch von unübersichtlich vielen Faktoren ab (Spielweise Unions und der Gegner, wie viele Innenverteidiger bietet Union auf, Zufall etc). Was sich bereits sagen lässt, ist dass ohne den Spezialisten Leistner, der vor jedem Spiel eigens Kopfbälle trainierte, die anfallende Arbeit in der Luft gleichmäßiger aufgeteilt wird, und zumindest Friedrich eine ordentliche bis sehr gute Quote hat. Dass Parensen etwas hinter seinen Werten aus der letzten Saison hängt (8,5, 5,5 : 3) kann gut und gern ein vergänglicher Eindruck sein.

  • Philipp Schmidt fragt: Was sind die wahren Positionskämpfe im zentralen Mittelfeld? Wie verteilen sich Gogia, Hedlund, Redondo, Mees und Taz auf die Flügel?

Mit der zentralen Frage beschäftigen wir uns später, machen jetzt aber erstmal eine Bewegung wie ein falscher Zehner und weichen auf den Flügel aus.

Wirklich klar auf nur einen Flügel festgelegt ist von diesen Spielern wohl nur Redondo auf links. Dagegen sind zumindest Hedlund und Gogia auch zentral einsatzfähig, wenngleich das für Hedlund eher nicht ideal ist. Eine Hierarchie für die Flügelspieler zu formulieren wird durch Hedlunds nicht-Berücksichtigung für die Startelf kompliziert, denn vor der Saison hätte man wohl erwartet, dass er auf einer Seite gesetzt ist, und die jeweils andere vom formstärksten der anderen besetzt wird. Favorit darauf wären dann Mees und Redondo gewesen, Hedlund hätte dann rechts, einer von ihnen links gespielt. Beide sind schnell und pressingstark, haben also ein recht ähnliches Profil. Dagegen sind Gogia und Taz eher auf Dribblings fokussiert. Eine Heuristik wäre also Hedlund + (je nach Gegner und Plan) den besseren Dribbler oder Pressing/Konterspieler.

  • und immer noch Philipp: Wohin sollte Union noch 2 Mio Euro investieren, wenn man könnte?

Die offensichtliche Antwort ist: In die Verpflichtung eines weiteren Stürmers. Aber ein Spieler für diese Kaderposition, vermutlich zunächst hinter Andersson und, nachdem der wieder fit ist, Polter, wird in der Regel über eine Saison nicht ganz so viel kosten. Wichtig für diese Entscheidung ist natürlich, wie Sebastian Polter von seiner Verletzung zurück kommt. Er ist für sein Spiel darauf angewiesen, nicht nur wuchtig, sondern auch dynamisch zu sein. Gerade bei einem Spieler seiner Statur ist es keine Selbstverständlichkeit, diese Dynamik nach einem Achillessehnenriss zu bewahren. Wenn also tatsächlich Geld übrig wäre, könnte man sich gegen dieses Risiko versichern und einen Stürmer aus dem Marktsegment 'rechts unten' verpflichten - so man jemanden findet. Übrigens steht Collin Quaner bei Huddersfield wohl auf der Liste möglicher Abgänge - aber vielleicht ist er nicht ganz der Spielertyp, den Union noch sucht.

  • Sebastian Knüttel fragt: Welche anderen Systeme hat Urs Fischer in der Schweiz spielen lassen?

Eigentlich spielte Fischer auch in Zürich, Thun und Basel immer mit dem 433/4231, das wir bisher auch bei Union gesehen haben.

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Grischa Prömel steht aktuell vor Felix Kroos, Photo: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images

  • und schließlich: Was sind mögliche Kombinationen im defensiven Mittelfeld und deren Vor- und Nachteile? Was für eine Rolle ist für Felix Kroos im aktuellen System möglich?

Die erste dieser beiden Fragen hängt natürlich wesentlich von der Antwort auf die zweite ab. Und die wiederum davon, welche Aufgaben in Unions Mittelfeld überhaupt zu vergeben sind. Bisher spielte Union mit einer Doppelsechs, deren Aufgaben sich im Spiel gegen Aue stärker unterschieden als gegen Köln.

Im ersten Saisonspiel bewegte sich Prömel deutlich vertikaler und weiter nach vorn als Schmiedebach, im Spitzenspiel am Montag machten beide vor allem viele defensive Wege, um das Zentrum zu schließen und auf den Außen auszuhelfen. Dass sie gerade für diese Rolle Kroos vorgezogen werden, ist folgerichtig, denn beide sind dynamischer und agiler als der ehemalige Kapitän.

Das heißt aber nicht, dass Kroos diese Rolle nicht auch spielen könnte. Er ist dafür nur eben nicht erste Wahl. Das könnte sich ändern, wenn die Defensivaufgaben (für einen) der Sechser auf einen kleineren Raum beschränkt sind. Allerdings muss Kroos auch zeigen, dass er zum Beispiel im Pressing gewonnene Bälle so gut und schnell verteilen kann wie Manuel Schmiedebach, um an dessen statt zu spielen.

Um sich eine Position weiter vorn, auf der 10, als Starter zu empfehlen, müsste Kroos dagegen noch besser und handlungsschneller in engen Räumen sein. Da hat nicht nur Hartel, sondern auch ein fitter Eroll Zejnullahu Vorteile.

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